Es gibt einen Ort jenseits von richtig und falsch.
Dort treffen wir uns.
(Rumi, persischer Mystiker)
"Wir können nicht nicht kommunizieren." (Paul Watzlawick)
Wir sind Teil dieser Welt und haben die Fähigkeit mit uns selbst, mit anderen Menschen und mit unserer Umwelt in Beziehung zu treten. Wir sind sogar zutiefst darauf angewiesen.
Ohne Kommunikation würden wir in dieser Welt nicht allein zurecht kommen.
Wir senden über Kommunikation Botschaften und regeln unser soziales Miteinander, drücken unser Befinden und unsere Bedürfnisse aus.
Dieser Prozess der sozialen Interaktion beginnt schon direkt nach der Geburt. Säuglinge senden von Beginn an Signale des Zufriedenseins und des Mangels. Schon mit sechs
bis acht Wochen reagieren Säuglinge dann auf andere Gesichter mit einem "sozialen Lächeln".
Über diese Fähigkeit treten wir Menschen von Beginn an in Interaktion, stellen Beziehung und Bindung her.
Mit sich selbst und anderen
in gutem Kontakt sein.
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Kommunikation ist also eine wichtige und ganz tief in uns verankerte Fähigkeit. Sie kann auf wunderschöne Weise Verbindung schaffen, aber auch Abgrenzung erzeugen. Beides ist wichtig:
Kommunikation reguliert Nähe und Distanz. Dabei ist nicht nur die Stimme, ihr Klang und der Inhalt des Gesagten Teil der Kommunikation. Wir kommunizieren mit dem ganzen Körper: mit
unserer Haltung, der Mimik, Gestik, dem Gesichtsausdruck, unseren Augen - manchmal bewusst, zu großen Teilen aber auch unbewusst.
Wenn man sich diese vielfältigen Ebenen, Qualitäten und Funktionen von Kommunikation vergegenwärtigt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass Kommunikation oft auch misslingen kann - ja sie
ist sogar der Bereich des Lebens, in dem wir heutzutage den größten und meisten Stress erleben.
Während in der Anfangszeit der Menschheit überwiegend lebensbedrohliche Situationen den meisten Stress verursachten, sind es heute soziale Situationen: Die Kommunikation am
Arbeitsplatz, die bevorstehende Prüfung, der Vortrag, die Verhandlungen, Teambesprechungen, Streit in der Familie, mit den heranwachsenden Kindern, oder dem Partner / der
Partnerin.
Wir alle kennen viele Gründe, warum Kommunikation schwierig sein kann, z.b:
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Missverständnisse: Wir fassen Dinge anders auf als sie gemeint sind
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Irritationen: z.B. wenn der Körper andere Signale sendet als die Worte, oder wenn wir unser Gegenüber und seine Intentionen nicht einschätzen können
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Interessenskonflikte: Wir regeln über Kommunikation den Ausgleich von Bedürfnissen und Interessen, die nicht immer zueinander passen.
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Rangordnung/Hierarchie: Über Inhalt, Tonlage und Stil der Kommunikation regeln wir Menschen auch die soziale Rangordnung untereinander. Denken Sie an
Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, zwischen Eltern und Kindern, Pflegern und zu Betreuenden. Aber auch in jeder Partnerschaft und Freundschaft kann dies ein Aspekt
sein.
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Enttäuschte Erwartungen: Wir reagieren enttäuscht, aggressiv oder resigniert, weil in unserer Kommunikation Erwartungen mitschwingen, die der andere nicht wahrnimmt
oder nicht erfüllt.
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Emotionale Altlasten: Andere können - wie aus dem Nichts heraus - "Knöpfe" bei uns drücken, die uns verletzen. Das, was uns aus der Haut fahren lässt, geht oft
zurück auf ganz alte Beziehungserfahrungen und ist als tiefes Muster in uns abgespeichert.
Achtsam kommunizieren bedeutet, sich bewusst für eine offene, mitfühlende und zugleich klare Präsenz zu entscheiden.
Indem wir uns unseres eigenen inneren Erlebens, unserer inneren Reaktionen und Bedürfnisse bewusst werden, sind wir in der Lage, uns selbst und unsere Muster besser zu verstehen und unsere wahren
Bedürfnisse authentisch zum Ausdruck zu bringen. Indem wir gleichzeitig mit voller Anteilnahme und so unvoreingenommen wie möglich zuhören, schaffen wir die Verbindung, die notwendig ist,
damit Kommunikation gelingen kann. Achtsame Kommunikation ist geleitet von einer konstruktiven Grundhaltung, die auf Verständigung zielt und dennoch keine Konflikte scheut.
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Achtsame Präsenz
Diese Fähigkeit ermöglicht genau wahrzunehmen, was alles in der jeweiligen Situation wirksam ist, vor allem in mir selbst: Welche Gedanken, inneren Bewertungen, Interpretationen, Erwartungen,
Wünsche etc. sind anwesend? Welche Gefühle nehme ich wahr? Welche Resonanz spüre ich im Körper? Je mehr ich lerne zwischen Wahrnehmung und Interpretation zu unterscheiden und zu bemerken,
welche Erwartungen, Gefühle und Denkmuster mich antreiben, desto bewusster und freier kann ich reagieren, ohne in alte Muster zu fallen.
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Selbstmitgefühl
Nur wenn ich mich selbst annehme, mit all meinen Gefühlen, Bedürfnissen und Empfindungen, kann ich für mich und mein Wohlbefinden selbst einstehen und dieses klar kommunizieren.
Interessanterweise wirkt sich ein hohes Selbstmitgefühl auch unmittelbar auf ein größeres Wohlwollen und Mitgefühl anderen Menschen gegenüber aus.
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Tiefes und wohlwollendes Zuhören
"Richtig zuhören können nur ganz wenige Menschen..." sagt Michael Ende in seinem berühmten Kinder- und Jugendbuch von der kleinen Momo, die "zuhören konnte wie kein anderer". Wie oft wird das
Zuhören von unseren eigenen Ideen, Wünschen, Vorstellungen und Erfahrungen überlagert? In der achtsamen Kommunikation hören wir auf tiefe Weise zu, mit der inneren Haltung eines wohlwollenden
offenen Interesses, ohne gleich Ratschläge zu geben oder durch voreilige Interpretationen die Sichtweise meines Gegenübers einzuschränken. Das tiefe Zuhören öffnet einen weiten Raum, in dem
der Sprechende seine Gedanken und Worte sich entfalten lassen kann.
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Eine weitere Perspektive einnehmen
Achtsam zu kommunizieren heißt, sich nicht nur mit den eigenen Bedürfnissen zu verbinden, sondern auch die Bedürfnisse und Anliegen meines Gegenübers und der Gemeinschaft im Blick zu
behalten, z.B. die Familie, die Institution, das Unternehmen.
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Aufrichtiger Selbstausdruck
Ausgehend von einer Haltung des Wohlwollens und niemanden absichtlich verletzen zu wollen, habe ich die Fähigkeit, mein eigenes Anliegen wahrzunehmen und klar zu kommunizieren, z.B. durch
"Ich-Botschaften", die dem anderen seine eigene Wahrheit und Deutung überlassen (z.B. Ich habe das Bedürfnis und den Wunsch... Ich fühle mich...).
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Verantwortung übernehmen
Ich lerne für mich und meine Worte, für mein Erleben und meine Reaktionen Verantwortung zu übernehmen und entsprechend zu handeln.
- Die Gesprächspartner sitzen sich gegenüber und erlauben sich zunächst einen Moment der Stille um zur Ruhe und bei sich anzukommen.
- In der ersten Phase spricht die eine Person über ein Thema oder eine Frage - die andere Person hört mit offener und wohlwollender Anteilnahme zu, ohne etwas anzumerken und ohne den
anderen zu unterbrechen.
- Danach gibt der Hörer/die Hörerin wieder, was er/sie verstanden hat.
- Anschließend gibt der Sprecher/die Sprecherin wieder, ob und wie er/sie sich verstanden fühlt.
- Danach werden die Rollen getauscht.
Im anschließenden Gruppenaustausch wird oft geäußert, wie schwierig es ist, einfach nur zuzuhören und nicht sofort etwas zu sagen. Die eigenen Muster des Reagierens werden durch die Übung
deutlicher als in der alltäglichen Kommunikation. Manche fühlen sich sehr wohl damit, dass Ihnen jemand "endlich" einmal nur zuhört und keine eigenen Gedanken oder Meinungen dazu
äußert. Andere sind verunsichert, dass es kein Nicken, kein direktes Feedback gibt. All diese Erfahrungen laden dann ein zu tieferer Selbsterforschung.
Gregory Kramer hat aus alten buddhistischen Lehren ein Konzept und Programm entwickelt, mit der Achtsamkeit im Dialog entwickelt werden kann. Seit 1995 lehrt er Einsichts-Meditation in den USA,
Asien, Europa sowie in Australien. Einige Bestandteile, wie z.B. das achtsame Sprechen und Zuhören (s.o.), haben auch im MBSR-Programm Eingang gefunden.
Ausgehend von Erkenntnissen der buddhistischen Psychologie formuliert Gregory Kramer drei Urtriebe, die uns Menschen antreiben und erklärt ihre Relevanz für zwischenmenschliche
Kommunikation.
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Streben nach Lustgewinn: Wir suchen angenehme, lustvolle Erfahrungen. Übertragen auf den zwischenmenschlichen Bereich drückt sich der Lustgewinn als
angenehme Emotionen und Empfindungen aus, die aus dem zwischenmenschlichen Kontakt entstehen. Das Gegenstück dazu ist die Angst vor Einsamkeit.
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Streben nach Dasein, nach Existenz: Wir suchen Sicherheit und wollen überleben. Im zwischenmenschlichen Bereich drückt sich dieses Streben in dem Wunsch
gesehen zu werden, anerkannt zu werden, aus. Martin Buber sagt dazu: Wir bilden unser Ich am Du. Aus der Forschung wissen wir, dass Säuglinge, die gut ernährt werden aber keine
emotionale, soziale Resonanz erfahren, sterben. Das Gegenstück zu diesem Streben ist die Angst vor Unsichtbarkeit, oder auch die Angst vor dem Tod.
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Streben nach Nicht-Sein, nach Flucht: So schön es sein kann gesehen zu werden, so schmerzhaft kann es sein. Wir schrecken zurück vor der Nähe des echten Kontakts,
haben Angst vor dem Gesehen-Werden, machen uns unsichtbar, ziehen uns zurück, fühlen uns minderwertig. Die Angst vor Publikum zu sprechen ist eine
verbreitete Ausdrucksform dieser Angst. Wir fürchten, bloss gestellt und auf unangenehme Weise erkannt zu werden.
Viele unserer Dramen und Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich lassen sich mit diesen drei Urtypen menschlichen Strebens veranschaulichen und erklären. So natürlich sie in uns Menschen
angelegt sind, so problematisch können sie sein, vor allem wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen, sondern sie unbewusst unser Verhalten steuern und zu ausgewachsenen Mustern werden. So kann es
passieren, dass wir immer "auf der Suche" sind, immer einem neuen Bedürfnis nachjagen und doch nicht glücklich werden. Denn - sobald ein Bedürfnis einmal erfüllt ist, stellt sich danach wieder
ein neues ein, und die Suche geht aufs Neue los. Wir finden keine Ruhe und keine befriedigenden Beziehungen, da viele Muster in der Kommunikation von diesen unerfüllten Bedürfnissen herrühren,
die nicht selten enttäuscht werden.
Indem wir lernen, uns unserer eigenen Erwartungen, Bedürfnisse und Empfindungen mehr und mehr bewusst zu werden, umso mehr können wir uns langsam davon lösen. Gleichzeitig lernen wir auf tiefe
Wiese zuzuhören und in eine wohlwollende Verbindung mit dem Gegenüber zu gehen. Der Einsichts-Dialog beinhaltet sechs Elemente, die miteinander in Verbindung stehen, und die in formalen
Übungen und im Gespräch geübt werden können:
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Innehalten: still werden, achtsam sein, Pause machen vor und nach dem Sprechen, schauen was sich entfaltet
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Entspannen: wir nehmen Spannungen wahr und erlauben uns, zu entspannen. Der Körper entspannt sich - der Geist wird ruhig. Der Geist entspannt sich, der Körper wird
ruhig. Entspannung bedeutet Widerstände loszulassen und die Dinge so zu akzeptieren wie sie sind.
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Sich öffnen: wir dehnen unsere Wahrnehmung auf die Welt und unser Gegenüber aus, die Beziehung zwischen mir und dem Gegenüber wird spürbar, wir nehmen innen und
außen wahr.
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Dem Entstehen vertrauen: Wir wissen nicht was der andere meint oder im nächsten Moment sagt, wir geben Kontrolle und Ziele auf, sondern geben uns dem Vertrauen in
die Entwicklung hin, wir müssen nicht eingreifen und dürfen uns auch von uns selbst überraschen lassen.
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Tief zuhören: Wir hören mit allen Sinnen, öffnen das Herz, den Geist und die Körper-Sinne. Aus einer Position der inneren Ruhe und Stille heraus können wir
unterschiedlichste Dimensionen wahrnehmen: den Inhalt, den Sinn, die Bedeutung, Worte und Sätze, Gefühle, Reaktionen des eigenen Körpers, die Körpersprache
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Das Wahre aussprechen: Ausgehend von einer Haltung des mitfühlenden Wohlwollens spreche ich das, was ich wahrnehme, aus und bin mir bewusst, dass es eine subjektive
Wahrheit ist, dass ich entscheide, was und wie viel ich sage, ohne Druck. Um das Wahre auszusprechen ist es notwendig, nach innen zu lauschen und mit uns selbst in Kontakt zu sein.
Mit diesen Fragen können Sie hin und wieder im Alltag innehalten und bemerken, was wirklich geschieht:
- Bin ich präsent?
- Was passiert gerade? Was denke ich? Was fühle ich?
- Bin ich in der Gegenwart? Oder kreisen meine Gedanken um Vergangenes oder Zukünftiges?
- Welche Resonanz haben die Worte in meinem Körper?
- Welchen Geschmack haben meine Worte?
- Sind sie konstruktiv, positiv oder verletzend?
- Wie klingt meine Stimme?
- Bin ich mir meiner Körperhaltung und meines Gesichtsausdruckes bewusst?
- Schlucke ich etwas hinunter?
- Was lösen meine Worte aus? Sehe und spüre ich ihre Wirkung?
- Was ist meine Motivation zu sprechen?
- Ist mein Schweigen trennend oder verbindend?
- Ist jetzt der richtige Zeitpunkt?
- Bin ich mir sicher?
- Kann ich Fehler entspannt zugeben?
- Bin ich im Kampfmodus?
- Ist mein Herz offen?
- Höre ich mein Gegenüber wirklich?
- Weiß ich schon, was ich gleich sagen werde oder was als nächstes passiert?
- Fühle ich mich meinem Gegenüber verbunden?
- Wieso sage ich das wirklich?
- Kann ich über das Wesentliche in meinem Leben sprechen?
- Habe ich Angst das Falsche zu sagen?